Wurzeln schlagen in Hamburg: Das Berufsleben
Hamburg ist vor allem ein touristisches, maritimes, Luftfahrt- und Bankenzentrum in der Region. Aber auch andere Bereiche wie Schiffbau und Luft- und Raumfahrt, Medien, Medizintechnik, Biotechnologie und Forschung in Physik und Chemie gelten als wirtschaftliche Säulen der Stadt. Fortschrittliche Sektoren wie erneuerbare Energien, Biowissenschaften, Logistik und Lebensmittel sind in der Stadt ebenfalls auf dem Vormarsch und sorgen für einen wachsenden Arbeitsmarkt und ein breites Spektrum an Beschäftigungsmöglichkeiten. In der Hansestadt herrscht zudem eine dynamische Gründungskultur: Jährlich expandieren rund 10.000 Unternehmen in die Metropolregion Hamburg oder werden dort neu gegründet.
Indische Fachkräfte in Hamburg
Inder wandern schon seit langem nach Deutschland und insbesondere nach Hamburg ein, u.a. aus wegen den Ausbildungsmöglichkeiten und dem bestehenden Fachkräftemangel. Dieser Trend verstärkte sich insbesondere mit der Einführung der „Green Card“ im August 2000, die sich an IT-Fachkräfte richtete. Laut einem Bericht des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn aus dem Jahr 2018 „begann im Jahr 2000 eine völlig neue Phase der deutsch-indischen Migration. Diese Phase ist durch einen steilen Anstieg des Migrationsvolumens und das Auftauchen von zwei neuen Gruppen gekennzeichnet: hochqualifizierte Fachkräfte, vor allem aus dem IT-Sektor, und Studenten.“
Offizielle Zahlen des Statistischen Amtes Hamburg zeigen, dass sich die Zahl der in Hamburg arbeitenden indischen Staatsangehörigen zwischen 2016 und 2019 mehr als verdoppelt hat. Zum Jahresende 2019 lebten 8.304 Personen mit indischen Wurzeln in Hamburg, etwas mehr als 37 Prozent hatten die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Die Stadt rechnet damit, dass diese Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen werden und ist bestrebt, die beruflichen Beziehungen zwischen Indien und Hamburg auszubauen.
Die zunehmende Präsenz von Personen indischer Herkunft in Hamburg beschränkt sich nicht nur auf Berufstätige, sondern schließt auch Studierende ein. Statistische Daten zeigen, dass es im Wintersemester 1998/99 nur 27 indische Studierende in Hamburg gab, zum Wintersemester 2019/20 waren es bereits 522, wobei die große Mehrheit an der TUHH (63 %) eingeschrieben waren, gefolgt von der Universität Hamburg (26 %) und der HAW (8 %). Viele indische Studierende bleiben nach dem Studium in Hamburg, wie Dr. Stephan Buse, stellvertretender Direktor des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement (TIM) an der TUHH und ehrenamtlicher stellvertretender Leiter der Hamburger Sektion des German-Indian Round Table (GIRT), bestätigt. Über die Jahre beobachtete Dr. Buse eine wachsende Anzahl von indischen Studierenden, die nach dem Studium in Hamburg blieben.
Prof. Dr. Rajnish Tiwari ist ein Beispiel für indische Studierende, die nach ihrem Studium in Hamburg heimisch geworden sind. Er lehrt Betriebswirtschaftslehre und Global Innovation an der Hochschule Fresenius und an der TUHH in Hamburg und ist ein Alumni der Universität Hamburg und der TUHH. Prof. Tiwari kam 1998 nach Hamburg und studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Ehrenamtlich leitet er die Hamburger Sektion des German-Indian Round Table (GIRT), einer informellen Initiative zur Förderung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Indien, und ist Mitinitiator der Indischen Woche seit deren Beginn im Jahr 2007. Seiner Meinung nach „sollten Sie, wenn Sie nach Deutschland oder in ein anderes Land kommen, um dort zu studieren oder zu arbeiten, versuchen, so viel wie möglich von der lokalen Kultur und Sprache aufzunehmen. Das kann nur von Vorteil sein, denn die Sprache öffnet viele Türen, die sonst vielleicht aufgrund fehlender Kommunikationsmöglichkeiten verschlossen geblieben wären.“
Diese Ansicht wird durch eine Studie von Gottschlich aus dem Jahr 2013 gestützt, der zufolge Inder im Vergleich zu anderen Südasiaten in Deutschland einen höheren Anteil an hochqualifizierten Arbeitskräften stellen. Außerdem ist ihr Bildungsniveau von Generation zu Generation gestiegen (Gries, 2000). In den letzten zwei Jahrzehnten hat eine gute Ausbildung dazu beigetragen, dass Inder sich stabile qualifizierte Arbeitsplätze sichern und Teil der deutschen Mittelschicht werden konnten. Die Mehrheit der für die Untersuchung befragten Inder ist jedoch der Meinung, dass sie noch erfolgreicher hätten sein können, wenn sie mit Vorkenntnissen der deutschen Sprache nach Deutschland gekommen wären.
Die Hauptgründe dafür, dass sich Inder für die Einwanderung nach Deutschland als Fachkräfte entscheiden, sind also ziemlich klar. Work-Life-Balance, wettbewerbsfähige Gehälter, ein hoher Lebensstandard und ein internationales Arbeitsumfeld sind die wichtigsten Beweggründe. Dennoch kann es eine Herausforderung sein, sich in der deutschen Arbeitskultur zurechtzufinden, die von manchen als „streng“ empfunden wird. Deshalb ist es laut Prof. Tiwari wichtig, die eigene Komfortzone zu verlassen und Kontakte zu knüpfen. „Verlassen Sie Ihre Blase und suchen Sie andere internationale und einheimische Menschen sowie interessante Gemeinschaften. Wenn Sie sich nur mit anderen Auswanderern treffen, werden Sie in der neuen Stadt oder dem neuen Land keine Wurzeln schlagen können. Ein eigenes Netzwerk kann Ihnen helfen, Probleme zu bewältigen, die Ihnen allein vielleicht unlösbar erscheinen.“
Eshani Sarma, die aus Assam in Indien stammt, ist eine Alumna der TUHH und lebt seit 2012 in Deutschland. 2015 hat sie ihr eigenes Unternehmen in Hamburg gegründet, das sich auf die Personalvermittlung spezialisiert hat. Sie sagt: „Networking ist der erste Schritt. Ich glaube wirklich, dass das Netzwerk, das ich mir aufgebaut habe, mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Einige der wichtigsten Wendepunkte in meinem Leben und meiner Karriere wurden immer von Menschen unterstützt, die ich kennen gelernt und mit denen ich Arbeitsbeziehungen aufgebaut hatte. Niemand kommt und serviert einem die Dinge auf einem Tablett. Die ganze Hilfe, die ich erhalten habe, kam daher, dass ich hinausgegangen bin und mit den Leuten gesprochen habe. Ein Vorteil der deutschen Kultur im Vergleich zur indischen ist auch, dass die Menschen deine persönlichen Grenzen respektieren. Man kann also sicher sein, dass Arbeit und Privatleben getrennt bleiben, es sei denn, man möchte sich öffnen.“
Proaktivität und Eigenmotivation sind zwar Schlüssel zum beruflichen Erfolg, aber manchmal reicht das nicht aus, um Chancen auch richtig ergreifen zu können. „Die Stadt Hamburg bietet einige spezielle Veranstaltungen für Fachkräfte und angehende Unternehmer an, aber nur wenige Menschen wissen davon. Die Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten, die Gründung eines eigenen Unternehmens und die rechtlichen und bürokratischen Aspekte in Hamburg sind zwar vorhanden, aber nicht weithin bekannt. So können viele Menschen die Vorteile dieser Angebote der Stadt nicht voll ausschöpfen“, sagt Eshani. Diese Aussage zeigt die Relevanz von Veranstaltungen wie der India Week Hamburg, die eine wertvolle Plattform bieten, um Institutionen und Menschen zusammenzubringen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die indische Bevölkerung in Deutschland und insbesondere in Hamburg durch einen hohen Anteil an hochqualifizierten Männern und Frauen gekennzeichnet ist. Die indische und die deutsche Regierung wären daher gut beraten, diese Trends bei der Gestaltung der Diaspora-Politik zur Förderung des beruflichen Austauschs zwischen beiden Ländern zu berücksichtigen.
Nachweise
- “40,000 millionaires in Hamburg”
- Page 6, 9, 10
- According to the OECD 2020 report, Germany is the most popular country for immigration after the USA. And with reason: the quality of life is high, the economic situation is stable and career prospects are good.)
- EU-India Cooperation and Dialogue on Migration and Mobility